11. Dezember 2018*

Die Entscheidungskompetenzen der in CETA und JEFTA vorgesehenen Ausschüsse und deren absehbare Wirkung auf das demokratische politische System der Bundesrepublik Deutschland

von Thomas Köller   [Beitrag als PDF]

Neben vielem anderem sehen CETA[1] und JEFTA[2] vor, dass Ausschüsse mit Exekutivvertretern beider Seiten einzurichten sind und diese die Kompetenz haben, für die Vertragspartner bindende Entscheidungen an den Parlamenten vorbei zu treffen.

Diese Problematik ist auch in der kritischen Öffentlichkeit bislang eher wenig beachtet worden,[3] selbst nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Oktober 2016 eben darin am ehesten ein potenzielles verfassungsrechtliches Problem des CETA gesehen hat.[4] Zugleich reichen die JEFTA-Bestimmungen ähnlich weit oder noch weiter.

I Worum geht es genau? – Überblick

CETA (Kap. 26) und JEFTA (Kap. 22) setzen jeweils ein System von Ausschüssen ein – in beiden Fällen bestehend aus dem „Gemischten Ausschuss“ (Joint Committee)[5] sowie zahlreichen Sonder- und Fachausschüssen sowie Arbeitsgruppen[6] –, die mit Exekutivvertretern der Vertragsparteien zu besetzten sind und einvernehmlich entscheiden.

Das entscheidende, demokratietheoretische und verfassungsrechtliche Problem ergibt sich daraus, dass diese Ausschüsse – und vor allem eben der jeweilige Gemischte Ausschuss – die Kompetenz erhalten, bindende Entscheidungen, einschließlich Vertragsänderungen, zu treffen, die von den Vertragsparteien umzusetzen sind.[7]

 

Hier zunächst die entsprechenden Vertragsbestimmungen, bevor danach zu fragen sein wird, wie weit die Kompetenzen der Ausschüsse – angesichts der Vorbehalte, die in den folgenden Zitaten auch bereits deutlich werden – tatsächlich reichen (Unterstreichungen der hier zunächst zu belegenden, allgemeinen Kompetenzzuschreibungen durch mich, TK).

CETA

„Zur Verwirklichung der Ziele dieses Abkommens ist der Gemischte CETA-Ausschuss befugt, in allen Angelegenheiten Beschlüsse zu fassen, sofern es in diesem Abkommen vorgesehen ist.“ (Art. 26.3 Abs. 1 CETA)

„Der Gemischte CETA-Ausschuss kann ... c) soweit in diesem Abkommen vorgesehen, Änderungen prüfen oder beschließen“ (Art. 26.1 Abs. 5 CETA).

„Die Beschlüsse des Gemischten CETA-Ausschusses sind für die Vertragsparteien – vorbehaltlich der Erfüllung etwaiger interner Anforderungen und des Abschlusses etwaiger interner Verfahren – bindend und von ihnen umzusetzen.“ (Art. 26.3 Abs. 2 CETA)

Auch die Sonder- und Fachausschüsse können teilweise bindende Entscheidungen treffen, also ohne Absegnung durch den Gemischten Ausschuss.[8]

JEFTA

„Der Gemischte Ausschuss kann, soweit in diesem Abkommen vorgesehen, Beschlüsse fassen. Diese Beschlüsse sind für die Vertragsparteien bindend. Jede Vertragspartei trifft die zur Durchführung der Beschlüsse erforderlichen Maßnahmen.“ (Art. 22.2 Abs. 1 JEFTA)

„Zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen und wirksamen Anwendung dieses Abkommens kann der Gemischte Ausschuss ... d) den Vertragsparteien etwaige Änderungen dieses Abkommens empfehlen oder in den in Artikel 23.2 Absatz 4 genannten Fällen Beschlüsse zur Änderung dieses Abkommens fassen“. (Art. 22.1 Abs. 5 JEFTA)
„Im Einklang mit den jeweiligen internen rechtlichen Verfahren der Vertragsparteien kann der Gemischte Ausschuss in den in Absatz 4 genannten Fällen Beschlüsse zur Änderung dieses Abkommens fassen. Solche Änderungen werden ungeachtet des Absatzes 2 durch einen diplomatischen Notenwechsel zwischen der Europäischen Union und der Regierung Japans bestätigt und treten damit in Kraft, sofern die Vertragsparteien nichts anderes vereinbaren.“ (Art. 23.2 Abs. 3 JEFTA; in Absatz 2 ist das normale Ratifikationsverfahren für Vertragsänderungen vorgesehen) [9]

„Die Sonderausschüsse können dem Gemischten Ausschuss Beschlussentwürfe zur Annahme vorlegen oder im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen dieses Abkommens selbst Beschlüsse fassen.“ (Art. 22.3 Abs. 5 JEFTA)

Wie in den oben zitierten Stellen bereits deutlich wird, unterliegt nun die Kompetenz der Ausschüsse, für die Vertragsparteien bindende Entscheidungen zu treffen, einem doppelten Vorbehalt[10] – nämlich

  1. dass diese Kompetenz nur in dem Maß besteht, in dem sie an anderen Stellen des Vertrags ausdrücklich vorgesehen ist (im Folgenden: II), und
  2. dass etwaige interne Anforderungen und Verfahren der Vertragspartner erfüllt bzw. abgeschlossen seien (im Folgenden: III).

Die Frage ist also, ob diese beiden Vorbehalte so weitgehend sind, dass die genannte Kompetenz der CETA- bzw. JEFTA-Ausschüsse zum Treffen bindender Entscheidungen im Ergebnis unbedenklich erscheint.

Allerdings könnte man auch nach einer negativen Antwort auf diese Frage – angesichts der für Ausschuss-Beschlüsse erforderlichen Einvernehmlichkeit – immerhin noch ins Feld zu führen versuchen, dass doch nichts gegen die EU entschieden werden könne; ein Argument, dass freilich stillschweigend voraussetzt, dass die EU entweder ein homogener politischer Block sei oder diejenigen, die für die EU entschieden, aufgrund ihrer politischen Abhängigkeit schon im Sinne des demokratischen Souveräns handeln würden und solche politischen Abhängigkeiten auf Dauer denselben Schutz böten wie verfassungsrechtliche Garantien (im Folgenden: IV).

II Die inhaltliche Reichweite der Ausschusskompetenzen

1 Allgemeine Vorüberlegungen

Es ist durchaus üblich – und jedenfalls in allerdings schwer bestimmbaren Grenzen auch sinnvoll –, dass im Rahmen internationaler Übereinkünfte Ausschüsse zur Begleitung und Umsetzung des jeweiligen Abkommens eingesetzt werden und diese auch über begrenzte Entscheidungsbefugnisse verfügen. Wirklich unproblematisch ist dies jedoch nur in dem Maß, in dem entweder die Kompetenzbereiche hinreichend eng definiert sind, so dass sie insofern nur rein technische Fragen betreffen, die auch innerstaatlich eher in einer Ministerialverordnung als in einem Gesetz geregelt würden;[11] oder in dem sie durch unabweisbare transnationale Herausforderungen wie die Friedenserhaltung oder den Klimawandel erforderlich scheinen, und tatsächlich beruht ja gerade auch die Europäische Union (aber dasselbe gilt teilweise auch für die Vereinten Nationen) auf der Überzeugung, dass es echter transnationaler Institutionen bedürfe, um Frieden und gemeinsame Problemlösungen zwischen den Staaten und Völkern zu gewährleisten.

Dennoch bleibt nicht nur ein Spannungsverhältnis – und die grundsätzliche Frage, inwiefern die Demokratie in ausreichendem Maß und in absehbarer Zeit überhaupt transnational organisierbar sei. Es muss auch festgestellt werden, dass diejenigen transnationalen Institutionen, die heute am ehesten autonom gegenüber den Nationalstaaten und deren jeweiligem demokratischem Souverän handeln können, nicht etwa in erster Linie der Lösung der großen Menschheitsherausforderungen verpflichtet sind, sondern einer politischen Idee, nämlich der Idee des Freihandels bzw. des Wirtschaftsliberalismus allgemein.[12] Das mag für die VertreterInnen dieser Idee kein großer Unterschied sein, weil Teil ihrer Überzeugungen ist, dass ein möglichst freier Markt – im nationalen Rahmen wie global – stets die beste Lösung aller Probleme eines politischen Gemeinwesens darstelle. Doch Tatsache ist, dass diese Überzeugung, so verbreitet sie unter den globalen Eliten sein mag, weltweit umstritten und auch wissenschaftlich nicht haltbar ist.[13] Die Freihandelsidee kann somit nicht als unabweisbare Antwort auf ein unabweisbares Menschheitsproblem gelten, und ihre Durch- oder Umsetzung ist somit auch sicher keine rein ‚technische’ Angelegenheit, die man getrost entsprechenden Fachleuten überlassen könnte. Im Gegenteil bedeutete die Umsetzung der Freihandels- bzw. der wirtschaftsliberalen Idee eine entsprechende (Um-)Gestaltung der gesamten Gesellschaft einschließlich ihrer grundlegendsten politischen Institutionen und Rechtsgrundsätze.

Gleichzeitig ist es das zentrale Charakteristikum der sogenannten Freihandelsverträge der neuen Generation, zu denen auch CETA und JEFTA gehören, dass sie eben gerade der Idee der wirkungsvollen, transnationalen Durchsetzung der Freihandels- bzw. wirtschaftsliberalen Idee verpflichtet sind. Dies mag zunächst einmal legitim sein, sofern die Verträge in den von der Verfassung vorgesehenen, demokratischen Verfahren beschlossen wurden, und insofern wäre auch ein angenommener, entscheidungsstarker Gemischter Ausschuss, der die Liberalisierungsvorgaben von CETA oder JEFTA beherzt ausweitete, nicht zu beanstanden: Er täte ja wenig anderes, als die allgemeine Zielbestimmung des Vertrags jeweiligen umzusetzen.

Doch man kommt sicher auch nicht an der Frage vorbei, inwiefern sich denn diese Zielbestimmung eigentlich noch im Rahmen der demokratischen Verfassung bewege. Tatsächlich nämlich bekennen sich die ‚Freihandelsverträge der neuen Generation’ verbindlich dazu, dass praktisch sämtliche demokratische Politik und Daseinsvorsorge, sofern sie einen Bezug zur Wirtschaft hat, ein potentielles Handelshemmnis darstelle und insofern beseitigt bzw. gar nicht erst beschlossen werden sollte.[14] Bei entsprechenden Durchsetzungsmechanismen, die im Fall der Freihandelsverträge aber generell gegeben sind (Streitbeilegungsgremien mit Androhung von Strafzöllen) oder hier gerade zur Debatte stehen (Ausschusskompetenzen), drohen sie also eine Systemänderung herbeizuführen. An oberster Stelle stünde dann nicht mehr das durch die Menschenwürde bzw. Grundrechte eingehegte Demokratieprinzip, sondern eine Liberalisierungsagenda, die – ganz abgesehen davon, dass sie im offenen, demokratischen Prozess jedenfalls in Deutschland keine Mehrheit fände – noch nicht einmal mehr vom Bundesverfassungsgericht, vom EuGH oder vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof kontrolliert und insofern ihrerseits nicht mehr durch die Menschenwürde bzw. die Grundrechte eingehegt würde.

Doch wie real oder rein abstrakt ist diese Gefahr nun angesichts der konkreten CETA- und JEFTA-Vertragstexte? Dies entscheidet sich eben nicht zuletzt an der Frage, inwiefern einzelne Bestimmungen in CETA und JEFTA den Ausschüssen für bestimmte inhaltliche Bereiche die Entscheidungskompetenz erteilen. Was ergibt die entsprechende Durchsicht der Verträge in dieser Hinsicht also?

2 Die allgemeine Kompetenz zur Auslegung der gesamten Verträge

Die Antwort lautet: Die inhaltliche Reichweite der Ausschusskompetenzen ist weder eng noch überhaupt klar umschrieben. Der wichtigste Grund dafür ist, dass mit einem großen Ermessens- und Auslegungsspielraum bei allen CETA- und JEFTA-Bestimmungen zu rechnen ist[15] und der Gemischte Ausschuss in CETA wie in JEFTA eine generelle Kompetenz eben zur Auslegung des jeweiligen Vertrags enthält – also jeweils des gesamten Vertrags, nicht nur der seine eigenen inhaltlichen Kompetenzen betreffenden Bestimmungen. Zwar sind diese Auslegungen in CETA nur für die (zwischenstaatlichen wie Investor-Staat-) Schiedsgerichte bindend. In JEFTA aber sind sie es auch für die Vertragsparteien:

CETA: „Der Gemischte CETA-Ausschuss kann ... e) Auslegungen der Bestimmungen dieses Abkommens vornehmen, die für die nach Kapitel acht Abschnitt F (Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Investoren und Staaten) und nach Kapitel neunundzwanzig (Streitbeilegung) eingesetzten Gerichte bindend sind“. (Art. 26.1 Abs. 5 CETA)

JEFTA: „Zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen und wirksamen Anwendung dieses Abkommens kann der Gemischte Ausschuss ... e) Auslegungen der Bestimmungen dieses Abkommens vornehmen, die für die Vertragsparteien und alle im Rahmen dieses Abkommens eingesetzten Sonderausschüsse, Arbeitsgruppen und sonstigen Gremien, einschließlich der nach Kapitel 21 eingesetzten Panels, bindend sind ...“ (Art. 22.1 Abs. 5 JEFTA)

Nach Prof. Weiß – der diese allgemeine Auslegungskompetenz nach Art. 22.1 Abs. 5 JEFTA in seinem Gutachten aber leider zugleich übersehen hat – gilt: „Vergleichbar einer Änderung des Abkommens kann es sein, wenn ein Ausschuss Begriffsbestimmungen für die Durchführung eines Kapitels des JEFTA festlegen darf“.[16] Da, wie gesagt, CETA und JEFTA ganz generell sehr viele unklare, und damit auslegungsbedürftige Regelungen enthalten, ist die inhaltliche Reichweite der Entscheidungskompetenzen insbesondere des Gemischten JEFTA-Ausschusses also zwar vielleicht nicht unbegrenzt (insofern jede inhaltliche Entscheidung als Auslegung von Vertragsbestimmungen gerechtfertigt werden muss), aber unabsehbar weitreichend. Einige wenige Beispiele für unklare und damit auslegungsbedürftige Konzepte mögen dies deutlich machen:

  • Angesichts des „Negativlistenansatzes“, wonach alles liberalisiert ist, was nicht ausdrücklich ausgenommen ist, schaffen uneindeutig formulierte Ausnahmen erheblichen Raum für Auslegungen hinsichtlich der Reichweite der Liberalisierungsverpflichtungen;[17] und tatsächlich beurteilen Experten etliche der Liberalisierungsvorbehalte wie die „Public-Utilities-Klausel“[18] oder die seit dem GATS übliche Ausnahme für hoheitlich erbrachte Leistungen als ungenau bzw. unzureichend.

  • CETA (Kap. 10) und JEFTA (Kap. 8 E 1 = Art. 8.29-8.31) legen fest, dass gesetzliche Genehmigungsvorschriften und ‑verfahren („domestic regulation“) verschiedene Anforderungen erfüllen müssen, wie etwa die, dass sie „so einfach wie möglich“ zu sein oder die Behören ohne „ungebührliche“ Verzögerung zu handeln haben.[19]

  • CETA und JEFTA gestehen zwar allgemein ein „right to regulate“ zu, verlangen aber stets auch – und solche spezielleren Bestimmungen gehen dann prinzipiell vor –, dass Regulierungen „so handelsfreundlich wie möglich“ zu sein haben und überhaupt nur in dem Maß den „Handel behindern“ dürften, in dem sie „notwendig“ seien, um „legitime“ öffentliche Ziele zu erreichen[20] – in einem demokratischen System wäre es eigentlich Sache des Parlaments, über derlei Subsumtionen zu entscheiden.

Obwohl diese Liste unvollständig ist, sollte sie hinreichen, um deutlich zu machen, dass allein die allgemeine Auslegungskompetenz des Gemischten Ausschusses nach Art. 22.1 Abs. 5 JEFTA diesem genügend inhaltliche Zuständigkeit verleiht, jede noch so ambitionierte und über das vertraglich Vereinbarte hinausgehende Liberalisierungsagenda durchzusetzen, denn letztlich gibt es eben keinerlei Berufungsinstanz: Sollten die Auslegungen des Gemischten Ausschusses all zu weitgehend sein oder gar offensichtlich einer wirklichen Sach- und Textgrundlage entbehren, kann dies weder durch das BVerfG noch den EuGH korrigiert werden. Tatsächlich hat genau eine solche Konstellation bei den Investor-Staat-Schiedsgerichten in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten bereits zu einer ständigen Ausweitung der Sachverhalte geführt, die von diesen nicht kontrollierten Schiedsgerichten – die nur so aussehen wie ein rechtförmiges System[21] – unter das Gebot der ‚fairen und billigen Behandlung’ und das Verbot der ‚indirekten Enteignung’ (jeweils ausländischer Investoren) gefasst wurden. Deshalb beinhalten diese beiden Normen heute viel mehr, als bei Abschluss der jeweiligen Verträge (etwa des Energiechartavertrags, bei dem zu Beginn der 1990er Jahre ganz andere Ziele im Vordergrund standen) erkennbar oder auch nur zu erahnen war.[22]

3 Unsicherheiten in Bezug auf den Gehalt der übrigen inhaltlichen Ermächtigungen

Hinzu kommt, dass die Vertragsbestimmungen, die die Ausschüsse für bestimmte inhaltliche Bereiche ermächtigen (über die behandelte allgemeine Auslegungskompetenz hinaus), nirgendwo in den Verträgen zusammengefasst, sondern jeweils über den gesamten Vertragstext verstreut sind; und natürlich ist auch hier wieder, wie bei allen Vertragsbestimmungen, prinzipiell mit einem großen Ermessens- und Auslegungsspielraum zu rechnen. Es ist also leicht möglich, sowohl eine ausdrückliche, inhaltliche Ermächtigung der Ausschüsse zu übersehen – beispielsweise hat Prof. Weiß in seinem hier öfters angeführten Gutachten ausgerechnet die allgemeine Auslegungskompetenz nach Art. Art. 22.1 Abs. 5 JEFTA übersehen – wie aber auch zu übersehen, was aus jeder einzelnen dieser ausdrücklichen Ermächtigungen in der zukünftigen Umsetzung des Abkommens abgeleitet und gerechtfertigt werden könnte.

4 Die vom Gemischten JEFTA-Ausschuss änderbaren Vertragsbestandteile

Nach CETA (Art. 30.2 Abs. 2) darf der Gemischte Ausschuss eine Reihe von Anhängen und Protokollen ändern, die ihrerseits integraler Bestandteil von CETA sind (Art. 30.1 CETA).

Auch bei JEFTA erstreckt sich die Kompetenz des Gemischten Ausschusses zu Vertragsänderungen (Art. 23.2 Abs. 3 JEFTA; s. eingangs dieses Textes) konkret auf eine Liste von Anhängen, die in Art. 23.2 Abs. 4 aufgeführt ist. Sie umfasst:[23] 

i) Anhänge zu Kapitel 2 (Warenhandel):

  • Anhang 2-A:[24] Abbau und Beseitigung von Zöllen
  • Anhang 2-C: Kraftfahrzeuge und Teile davon
    • Anlage 2-C-1: Von beiden Vertragsparteien angewendete UN-Regelungen
    • Anlage 2-C-2: UN-Regelungen, die von einer der Vertragsparteien angewendet und von der anderen noch nicht angewendet werden
  • Anhang 2-E: Erleichterung der Ausfuhr von Weinbauerzeugnissen
ii) Anhänge zu Kapitel 3 (Ursprungsregeln und -verfahren)
  • Anhang 3-A Einleitende Bemerkungen zu den erzeugnisspezifischen Ursprungsregeln
  • Anhang 3-B Erzeugnisspezifische Ursprungsregeln
    • Anlage 3-B-1 Bestimmungen für bestimmte Fahrzeuge und Fahrzeugteile
    • Anhang 3-C Angaben in Artikel 3.5
  • Anhang 3-D Wortlaut der Ursprungserklärung
  • Anhang 3-E betreffend das Fürstentum Andorra
  • Anhang 3-F betreffend die Republik San Marino

iii) Anhang zu Kapitel 10 (Öffentliche Beschaffungen)

iv) Anhänge zu Kapitel 14 (Geistiges Eigentum)

  • Anhang 14-A: Gesetze und sonstige Vorschriften der Vertragsparteien im Zusammenhang mit geografischen Angaben
  • Anhang 14-B: Liste geografischer Angaben
v) „Bestimmungen dieses Abkommens, die auf Bestimmungen internationaler Übereinkünfte Bezug nehmen oder mit denen solche Bestimmungen in dieses Abkommen übernommen werden, bei deren Änderung oder Folgeübereinkünften.“ (Art. 23.2 Abs. 4 lit h JEFTA)

Es ist an dieser Stelle nicht möglich – aber eine solche Floskel verdeutlicht im Grunde schon das Problem –, die Reichweite bzw. den eher technischen oder eher politischen Charakter von Änderungen all dieser einzelnen Anhänge einzuschätzen, allein schon deshalb nicht, weil sich dies in Zukunft grundlegend ändern kann. Auch hier ist es schlicht nicht möglich, alle Eventualitäten vorauszusehen und auch hier sollte man mit einer gewissen, generellen Skepsis an diese Frage herangehen. Beispielsweise ist die Beseitigung von Zöllen im Warenhandel (s. o.: Anhang 2-A) sicher nicht so unpolitisch, wie sie in einem ‚Freihandelsabkommen’ auf den ersten Blick scheinen mag, denn immerhin weigern sich dieselben westlichen bzw. nördlichen Staaten, die die Freihandelsagenda seit Jahrzehnten vorantreiben, über den selben Zeitraum beharrlich, die Forderung der südlichen Länder nach Abbau der Agrarzölle zu erfüllen.

Unstrittig dürfte immerhin sein, dass insbesondere Änderungen zur öffentlichen Beschaffung von potentiell hoher politischer Brisanz sind, weil sie etwa den Bereich der öffentlichen Wasserversorgung und generell alle Dienstleistungen der Daseinsvorsorge berühren. Hier steht die Liberalisierungsagenda, zu der sich Verträge wie CETA und JEFTA bekennen, eindeutig gegen die demokratische Willensbildung in der EU.[25]

5 Die Kompetenz der Gemischten Ausschüsse zur Änderung des gesamten Systems der Sonder- und Fachausschüsse (in Widerspruch zu Art. 218 Abs. 9 AEUV)

Zur Kompetenz des Gemischten Ausschusses gehört nach CETA (Art. 26.1 Abs. 5 lit g, h i.V.m. Art. 26.1 Abs. 4 lit b) wie nach JEFTA (Art. 22.1 Abs. 5 lit a, b JEFTA) auch, das ganze System der Sonder- und Fachausschüsse usw. beliebig ändern zu können.

Prof. Weiß hält dies in seinem hier bereits öfters zitierten Gutachten eindeutig für einen Verstoß gegen Art. 218 Abs. 9 AEUV.[26]

Mit Blick auf die Frage, ob die Ausschusssysteme in CETA und JEFTA eine Gefahr für die Demokratie sind, ist das, was in den Verträgen über Zuschnitt und Aufgaben der Sonder- und Fachausschüsse steht, somit weitgehend irrelevant. Statt dessen ist zu fragen, inwiefern der Gemischte Ausschuss aufgrund seiner umfassenden (und eben wohl auch gegen EU-Recht verstoßenden) Kompetenz zur institutionellen und inhaltlich-thematischen Ausgestaltung des Ausschusssystems die beiden hier diskutierten Vorbehalte für die Bindungswirkung seiner Entscheidungen – also dass die Verträge diese Entscheidungskompetenz für bestimmte inhaltliche Bereiche tatsächlich vorsehen und ‚etwaige interne Anforderungen erfüllt’ und ‚etwaige interne Verfahren abgeschlossen’ seien – aushebeln könne.

Da es jedoch auch in diesem Fall schwer ist, alle Eventualitäten vorauszusehen, muss man davon ausgehen, dass die uneingeschränkte Kompetenz des Gemischten Ausschusses zur Organisierung des Ausschusssystems ein enormes Potential zu dessen Verselbständigung gegenüber der demokratischen Willensbildung (in den Vertragsparteien, denn auf transnationaler Ebene gibt es eine solche nicht) beinhaltet.

6 Die Kompetenzen zur zur Ausgestaltung der Streitbeilegungsgremien und -verfahren

Entsprechendes gilt auch mit Blick auf die Kompetenzen der Gemischten Ausschüsse zur Ausgestaltung der Streitbeilegungsgremien und -verfahren, die bei CETA außer der zwischenstaatlichen Streitbeilegung auch die Investor-Staats-Schiedsgerichtsbarkeit umfasst, während diese im Falle JEFTAs in ein weiteres, geplantes „JEFTA 2“ ausgelagert wurde, um „JEFTA 1“ zunächst ohne Beteiligung der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten ratifizieren zu können.

So ernennt der Gemischte CETA-Ausschuss die Richter für das Investitionsschutztribunal.[27] Andererseits enthält CETA, anders als JEFTA, immerhin recht detaillierte Vorgaben für die Verfahrensordnung des (zwischenstaatlichen) Schiedspanels, für den Verhaltenskodex der Schiedsrichter und für das (unverbindliche) Mediationsverfahren, während der Gemischte JEFTA-Ausschuss in Bezug auf diese Aspekte weitestgehend freie Hand hat.[28]

„Verfahrensregeln und Verhaltenskodizes zu erlassen, fällt typischerweise in die Zuständigkeit von Parlamenten. Im internationalen Bereich ist es zwar anerkannt, dass Gerichte, wie etwa der Appellate Body in der WTO, das Verfahren ergänzende Regeln über sein internes Arbeitsverfahren selbst erlässt (sog Working Procedures). Damit ist jedoch die vorliegende Befugnisübertragung im JEFTA nicht vollständig vergleichbar. Denn das JEFTA enthält nur sehr rudimentäre Verfahrensregeln.“[29]

III Die Frage der ‚internen Anforderungen und Verfahren’

1 Bereiche in reiner EU- vs. mitgliedstaatlicher Kompetenz

Hier muss zunächst danach unterschieden werden, ob die Materie, mit der sich ein Ausschuss bzw. der jeweilige Gemischte Ausschuss jeweils beschäftigt, innerhalb der EU in die Zuständigkeit der EU oder der Mitgliedstaaten fällt. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass der (Europäische Gerichtshof) (EuGH) in seinem Gutachten zum EU-Singapur-Abkommen vom Mai 2017 (Op. 2/15)[30] nur Portfolioinvestitionen und die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nicht in alleiniger EU-Kompetenz sah, während das BVerfG im Oktober 2016 noch davon ausgegangen war, dass zusätzlich auch der internationale Seeverkehr, die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Arbeitsschutz in die Zuständigkeit der MS fallen.[31]

Doch selbst, sofern das BVerfG darauf verzichten sollte, diese seine damalige Einschätzung gegen die Op. 2/15 des EuGH aufrecht zu erhalten, so galt doch auch Letztere nur für das Singapur-Abkommen. Es ist also denkbar, dass JEFTA bei genauerer Prüfung Regelungen enthält, die sehr wohl in die Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten fallen und somit im Übrigen auch eine Behandlung JEFTAs als gemischtes Abkommen erforderten. Konkret geht es hier vor allem um Art 16.3 Abs. 2 JEFTA, „wonach die Parteien ihre aus der ILO Mitgliedschaft erwachsenen Verpflichtungen bekräftigen, was nach der Fn 1 zum Text für die EU gerade die Mitgliedschaft der EU-Mitgliedstaaten meint. Die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten eingegangen sind, werden über diese pauschale Bekräftigung zu unionsrechtlichen Pflichten. Es tritt ein gewisser Wechsel in der rechtlichen Natur ein. Auch wenn zahlreiche Umwelt- und arbeitsrechtlichen Regelungen schon vergemeinschaftet sind und damit entsprechende ILO Pflichten schon Gegenstand des EU-Rechts wurden, geht diese Bekräftigung aber über deren Reichweite hinaus. Es erscheint überaus fragwürdig, ob die EU zu solchen Regelungen in einem EU-Only Abkommen befugt sein kann.“[32]

Außerdem kann man fragen, ob eine entsprechende Problematik nicht in Bezug auf die im nächsten Artikel 16.4 behandelten Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen bestehe. Zwar fehlt hier die Klarstellung (in der Fußnote in Art. 16.3 Abs. 2), dass es sich im Fall der EU um völkerrechtliche Verpflichtungen der EU-Mitgliedstaaten handele. Zumindest aber hat die EU an anderer Stelle betont, dass die Kompetenz zur Umsetzung des Pariser Abkommens teilweise in die Kompetenz der Mitgliedstaaten falle.

2 Mitwirkungserfordernis des Bundestages bei (Berührung der) Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten

Für jene Bereiche, die in die Zuständigkeit der MS fallen, gehen Prof. Fischer-Lescano[33] wie Prof. Fisahn[34] davon aus, dass eine Parallele zum Lissabon-Vertrag existiert, bei dem das BVerfG seinerzeit verlangt hatte, dass der deutsche Vertreter im EU-Ministerrat einer EU-Kompetenzausweitung gemäß Artikel 352 AEUV nur dann zustimmen darf, wenn er zuvor durch ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz dazu ermächtigt worden ist.[35]

3 Unzureichend demokratische Legitimation bei reiner EU-Zuständigkeit

3.1 Unklarheiten bezüglich der EU-internen ‚Anforderungen und Verfahren’: Art. 218 Abs. 9 vs. 7 AEUV

Nach Auskunft von Prof. Fisahn[36] war auch dem BVerfG im Oktober 2016 alles andere als klar, welches EU-interne Verfahren mit der CETA-Formulierung „vorbehaltlich etwaiger interner Anforderungen und des Abschlusses etwaiger interner Verfahren“ eigentlich angesprochen sei. Dennoch kreist die Debatte letztlich um zwei Absätze desselben Artikels 218 AEUV, der insgesamt das Verfahren des Abschlusses von Übereinkünften der EU mit Drittländern oder internationalen Organisationen regelt. „Dieser Artikel sieht in Abs. 9 die Möglichkeit vor, dass der Rat ‚Standpunkte’ festlegt, die die EU-Repräsentanten in Gremien wie dem Gemischten CETA-Ausschuss zu vertreten hätten“.[37] Hingegen legt Abs. 7 fest, dass „der Rat den Verhandlungsführer bei Abschluss einer Übereinkunft ermächtigen (kann), im Namen der Union Änderungen der Übereinkunft zu billigen, wenn die Übereinkunft vorsieht, dass diese Änderungen im Wege eines vereinfachten Verfahrens oder durch ein durch die Übereinkunft eingesetztes Gremium anzunehmen sind. Der Rat kann diese Ermächtigung gegebenenfalls mit besonderen Bedingungen verbinden.“

Nun war die Bundesregierung zumindest im Juli 2016 der Ansicht, dass mit den EU-internen ‚Anforderungen und Verfahren’, die in CETA als Voraussetzung der Verbindlichkeit der Beschlüsse des Gemischten Ausschusses erwähnt sind, nur der genannte Absatz 9 des Artikels 218 AEUV gemeint sein könne;[38] ebenso offenbar das BVerfG in seinem Urteil im Oktober 2016.[39] Demgegenüber sieht der Vorschlag der EU-Kommission für einen Ratsbeschluss über den Abschluss des JEFTA vor, dass der alternative Absatz 7 zumindest für die Zwecke des Artikels 14.10 JEFTA (Änderungen des Geltungsbereichs der Verpflichtungen in Bezug auf das öffentliche Beschaffungswesen) sowie der JEFTA-Anhänge 14-A und 14-B (betreffend geographische Herkunftsangaben)[40] anzuwenden sei. In beiden Fällen geht es dabei um Anhänge, die nach Art. 23.2 Abs. 3 und 4 JEFTA eigenständig vom Gemischten Ausschuss geändert werden können (s. o.: II 4), und laut Prof. Weiß[41] ist zu vermuten, dass dasselbe vereinfachte Verfahren über Art. 218 Absatz 7 AEUV letztlich auch für die sechs weiteren dieser Anhänge gelten werde.

3.2 Völlige Autonomie der EU-Kommission, gemeinsam mit Japan die Kompetenz zur Vertragsänderung (in den inhaltlich gesteckten Grenzen) wahrzunehmen (auf Grundlage von Art. 218 Abs. 7 AEUV)

Sollte es so kommen, wäre also zumindest die gesamte Kompetenz des Gemischten Ausschusses, JEFTA abzuändern – nämlich eben in Bezug auf die in Art. 23.2 Abs. 4 genannten (und oben in II 4 aufgelisteten) Anhänge – aus Art. 218 Abs. 9 AEUV herausgenommen und dem Abs. 7 desselben Artikels unterstellt. Dies bedeutete, dass für das Verbindlichwerden der entsprechenden Beschlüsse des Gemischten Ausschusse lediglich ein diplomatischer Notenwechsels zwischen der EU und Japan nötig wäre, der auf europäischer Seite wiederum in die alleinige Zuständigkeit der EU-Kommission fiele.[42] Damit wäre die Kompetenz des Gemischten Ausschusses, JEFTA in Bezug auf die in Art. 23.2 Abs. 4 genannten Anhänge abzuändern, eine Kompetenz allein der EU-Kommission, entsprechende Änderungen vollkommen autonom mit Japan zu vereinbaren, denn auch im Gemischten Ausschuss sitzen allein Kommissionsmitarbeiter.

3.3 Möglichkeit der Beteiligung des Rates und insofern der Mitgliedstaaten, aber auch Möglichkeit der Überstimmung einzelner Mitgliedstaaten nach Art. 218 Abs. 9 und 8 AEUV

In dem Maße hingegen, in dem Art. 218 Abs. 9 AEUV zum Tragen kommt, nähme der Rat immerhin noch insofern Einfluss auf die Beschlüsse des Gemischten Ausschusses, als er zunächst die dort von der Kommission zu vertretenden ‚Standpunkte’ zu formulieren und also der Kommission ein entsprechendes Mandat zu erteilen hätte (allerdings auf Antrag der Kommission).

Auch die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten könnten insofern, zumindest der Theorie nach, Einfluss nehmen – allerdings auch nur in dem Maß, in dem im Rat nicht nach qualifizierter Mehrheit abgestimmt wird und sie dabei überstimmt werden (was nach Art. 218 Abs. 8 AEUV in manchen Fällen möglich ist). Insofern hat das BVerfG im Oktober 2016 letztlich davor gewarnt, den Art. 218 Abs. 9 AEUV als ausreichende Legitimationsgrundlage der bindenden Entscheidungen des Gemischen Ausschusses anzusehen.[43]

Außerdem besteht selbstverständlich die Möglichkeit, dass es der Kommission gelingt, sich vom Rat eine Art Blanko-Vollmacht für ein weitgehend selbständiges Agieren im Gemischten Ausschuss geben zu lassen, dessen Beschlüsse dann ohne weitere Verfahrensschritte bindend wären.

3.4 Mangelnde Parlamentsbeteiligung auch bei Beteiligung der Mitgliedstaaten nach Art. 218 Abs. 9 AEUV

Gleichzeitig lieferten selbstverständlich auch hinreichend eng gefasste und zudem einstimmige Ratsbeschlüsse keineswegs dasselbe Maß an demokratischer Legitimation, wie es Parlamentsbeschlüsse täten, denn auch nach Art. 218 Abs. 9 AEUV haben weder das deutsche noch das EU-Parlament irgendwelche Mitentscheidungsrechte – anders bei einer ordentlichen Vertragsänderung.

Je nachdem, wie grundlegend die Entscheidungen des Gemischten Ausschusses am Ende jeweils ausfallen, bedeuten dessen Entscheidungskompetenzen also, dass das Mitentscheidungsrecht, das das EU-Parlament im Rahmen eines normalen Verfahrens zur Ratifizierung oder Änderung eines völkerrechtlichen Abkommens der EU hat, umgangen wird – ebenso wie die Mitentscheidungsrechte der nationalen Parlamente, sollten Fragen von nationaler Kompetenz berührt sein.

3.5 Mangelnde Öffentlichkeit

Doch auch das Recht der Öffentlichkeit auf Information über die für die politischen Entscheidungen Verantwortlichen droht umgangen zu werden, und zwar nicht nur insofern das Maß an Öffentlichkeit bei Parlamentsbeteiligung generell deutlich größer ist. Auch die bisherigen Erfahrungen mit den CETA-Ausschüssen (diese haben ihre Arbeit bereits aufgrund der am 21. September 2017 begonnenen ‚vorläufigen Anwendung’ aufgenommen) zeigen, dass die EU-Kommission bislang eine weitgehende Geheimhaltung der Ausschussarbeit praktiziert und sie unter allen Umständen daran festhalten möchte.[44]

IV Verfassungsrechtliche Garantien und Kontrollen sollten nicht gegen unrealistische  Hoffnungen auf rein politische Selbstregulierungsmechanismen eingetauscht werden

Ungeachtet aller bisher aufgezeigten Probleme trifft man in Diskussionen aber immer wieder auf das Argument, dass doch angesichts des Einstimmigkeitserfordernisses in den Ausschüssen letztlich nichts gegen die EU entschieden werden könne. Doch reicht dies tatsächlich aus? Das wäre nur dann der Fall, wenn davon auszugehen wäre, dass die EU entweder ein homogenes politisches Gebilde ohne interne Meinungsverschiedenheiten sei, oder Kommission und Rat im Rahmen des EU-internen demokratischen Systems ausreichend abhängig sind und kontrolliert werden, so dass ihr selbständiges Handeln im Rahmen der CETA- und JEFTA-Ausschüsse im Ergebnis dem entspräche, was auch bei umfassender demokratischer Erörterung und Parlamentsbeteiligung zustande käme.

Tatsächlich aber ist selbstverständlich kein politisches Gebilde homogen, sondern intern durch verschiedene Strömungen und Machtzentren gekennzeichnet. Eben deshalb bedarf es demokratischer Verfahren zur Legitimation der für dieses politische Gemeinwesen gültigen, bindenden Entscheidungen.

Gleichzeitig gibt es seit vielen Jahren zahlreiche Hinweise darauf, dass die EU-Kommission insgesamt und deren Generaldirektion Handel, die für die Mitarbeit in den Ausschüssen zuständig wäre, in besonderem Maß, so etwas wie eine ‚neoliberale’ Liberalisierungsagenda verfolgt. Dies mag aus einer bestimmten Interpretation der europäischen Idee heraus resultieren, steht aber jedenfalls im Gegensatz zu dem, was nicht zuletzt in Deutschland als Soziale Marktwirtschaft weithin Zustimmung findet.  

Allerdings konnte und kann die Kommission ihre hier einmal unterstellte Liberalisierungsagenda nicht ohne den Rat durchsetzen. So abhängig die nationalen Regierungen also einerseits von ihrem nationalen Wahlvolk sind, so verfolgen doch auch sie andererseits eine Politik, die (aus welchen Motiven auch immer) im Namen des Freihandels faktisch eine Politik der transnationalen Durchsetzung des Modells des vollkommen unregulierten Weltmarktes statt der Sozialen Marktwirtschaft ist (‚Neo-Konstitutionalisierung’). Das Mittel dieser transnationalen Durchsetzung sind entsprechende völkerrechtliche Verträge, die ohne Beteiligung der Parlamente verhandelt werden, von diesen bislang aber auch zu unkritisch einfach akzeptiert wurden.

Kurz: Es besteht genügend Anlass zu der Vermutung, dass die EU-Kommission und die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten ihre Kompetenzen im Rahmen der CETA- und JEFTA-Ausschüsse gerade nicht im Sinne eines bloßen Treuhänders des demokratischen Souveräns wahrnehmen werden, und zwar gerade dort nicht, wo die Kompetenzen dieser Ausschüsse besonders stark sind, nämlich eben im Bereich der Durchsetzung einer weitreichenden Liberalisierungsagenda.

Es erscheint damit umso verantwortungsloser, verfassungsrechtliche Garantien auf demokratische Teilhabe an der Gestaltung eines zentralen Bereichs des Gemeinwesens, nämlich der Wirtschaft und ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, durch die vage Hoffnung auf ausreichende politische Abhängigkeit der EU-Kommission von den nationalen Regierungen und der Letzteren vom Wahlvolk zu ersetzen – denn das Wahlvolk hätte tatsächlich keinerlei effektive Korrekturmöglichkeiten mehr, wenn es schief gehen sollte.

 

Anmerkungen

* Anmerkung 10 am 8. April 2019 leicht korrigiert.

[1] Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits. Einschließlich der Anhänge, Protokolle und Zusatzerklärungen zum eigentlichen CETA-Vertragstext veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union vom 14.1.2017 (Link s. Literaturliste).

[2] Auch: JEEPA oder WPA. Abkommen zwischen der Europäischen Union und Japan über eine Wirtschaftspartnerschaft, COM(2018) 192 final – Annex 1, offizielle deutsche Übersetzung des Vertragstextes (Link s. Literaturliste)

[3] Dies ergibt sich nicht zuletzt im Vergleich mit der in der Debatte stets angeprachgerten, jedoch letztlich freiwilligen „Regulatorischen Kooperation“, das meint die (künftige) frühzeitige Unterrichtung der jeweils anderen Vertragspartei über geplante, eigene, regulatorische Politik sowie die Abstimmung darüber eben mit der anderen Vertragspartei, noch bevor das jeweilige Parlament mit der Sache befasst wird. Dies ist in CETA und JEFTA (und ebenso nach den seinerzeitigen Plänen zu TTIP) in gesonderten Kapiteln mit dem Titel „Regulierungszusammenarbeit“ (Kap. 21 CETA) bzw. „Gute Regulierungspraxis und Regulierungszusammenarbeit“ (Kap. 18 JEFTA) geregelt. Die hier diskutierte Problematik der Ausschüsse und ihrer Kompetenzen, die auch von den KritikerInnen von CETA und Co. häufig ausgeblendet bleibt (siehe zuletzt etwa: Greens/EFA 2018; Fritz 2018; Laskowski 2018; jedoch ansatzweise: Powershift et al. 2018, Seite 9; Stadtwerke Karlsruhe 2018, Seite 3) beruht hingegen auf Artikeln in anderen Kapiteln und besteht zudem gerade darin, dass der Bereich der Freiwilligkeit eindeutig verlassen wird. Auch wenn das von der Wortbedeutung her sicher gerechtfertigt wäre und sachliche Zusammenhänge bestehen, erscheint es insofern wenig sinnvoll, die Arbeit der Ausschüsse als „Regulatorische Kooperation“ bzw. „Regulierungszusammenarbeit“ zu bezeichnen.

[4] BVerfG (2016), Urteil des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 – 2 BvR 1368/16 (Rn. 1-73).

[5] Art. 26.1 CETA; Art. 22.1 und 22.2 JEFTA.

[6] Art. 26.2 CETA; Art. 22.3 bis 22.5 JEFTA.

[7] „Für die Sonderausschüsse fehlt eine explizite Klarstellung, dass ihre Beschlüsse bindend sind. Doch ist es übliche Praxis auch unter anderen Abkommen, dass, weil der Begriff „Beschlüsse“ für deren Entschließungen verwendet wird, das gleiche auch hier gilt, zumal auch bei den Sonderausschüssen wiederum zwischen Beschlüssen und Empfehlungen unterschieden wird (Art 22.3 (3) f). Die Regelungen des Art. 22.2 bis 22.3 ähneln insoweit den CETA Regelungen.“ So Prof. Wolfgang Weiß in einem Gutachten vom Juli 2018 (Weiß 2018, Seite 2).

[8] Vgl. etwa Art. 8.44 Absatz 2 sowie Art. 8.44. Absatz 3 lit b und c sowie Art. 11.3 Abs. 6 CETA.

[9] Was den im zitierten Notenwechsel zwischen der EU und Japan betrifft, so wird dadurch „nur das im Ausschuss Festgelegte bestätigt. Inhaltlichen Einfluss hat der Notenwechsel nicht. Auch führt das Verfahren zur Erstellung der Note in der EU nicht zu einer Beteiligung anderer als der in der Vorbereitung der EU-Position im Gemeinsamen Ausschuss Rat ohnehin tätigen, exekutiven Organe der EU ... Insbesondere ist der Vorbehalt der Notwendigkeit einer Bekräftigung durch die Parteien in Form einer diplomatischen Note in keiner Weise gleichzusetzen mit einem Ratifikationsverfahren, an dem für die EU das Europäische Parlament beteiligt wäre.“ (Weiß 2018, Seite 4)

[10] Außerdem haben die Bestimmungen von CETA und JEFTA keine direkte Durchgriffswirkung – s. Art. 30.6 CETA und Art. 23.5 JEFTA –, insofern sie nicht unmittelbar, sondern erst nach ihrer Umsetzung in das Recht der Vertragspartner anwendbar sind, was das komplette Gesetzgebungsverfahren einschließlich der Beteiligung des Parlaments bedeutet. Das ändert aber nichts daran, dass Art. 216 Abs. 2 AEUV gilt, der besagt: „Die von der Union geschlossenen Übereinkünfte binden die Organe der Union und die Mitgliedstaaten.“ Auch die Entscheidungen der Ausschüsse sind deshalb nicht nur nach CETA bzw. JEFTA verbindlich (also völkerrechtlich), sondern auch nach EU-Recht. Sie sind somit nicht ignorierbar und müssen vielmehr ordnungsgemäß umgesetzt werden (siehe auch Weiß 2018, Seite 1 f.).

[11] Selbst dann besteht noch das Problem, dass Verordnungen im nationalen Rahmen leicht geändert werden können und insbesondere das Parlament dies durch ein Gesetz erzwingen kann, dies bei durch internationale Verträge eingesetzten Gremien aber nicht ohne Weiteres möglich ist.

[12] Man vergleiche beispielsweise das Maß, in dem die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens vom politischen Willen der Nationalstaaten abhängig ist, mit der globalen Vollstreckbarkeit der Urteile privater Investor-Staat-Schiedsgerichte, die Staaten auf Grundlage von Investitionsschutzverträgen regelmäßig zu hohem Schadenersatz an ausländische Investoren verklagen, ohne dabei die nationalen Verfassungen, die Menschenrechte und die menschenrechtlichen Verpflichtungen der Staaten aus den UN-Menschenrechtspakten in irgendeiner Weise zu berücksichtigen.

[13] Zu Letzterem vgl. ausführlich Köller (2014).

[14] Bereits mit Annahme des Allgemeinen Dienstleistungsabkommens GATS im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) haben sich die Staaten 1995 verpflichtet, die Liberalisierung des grenzüberschreitenden Dienstleistungshandels kontinuierlich voranzutreiben, was zur Praxis der demokratisch immer wieder breit legitimierten, deutschen Sozialen Marktwirtschaft, öffentliche Daseinsvorsorge zu betreiben, und damit vielleicht sogar zum Sozalstaatsgebot des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 GG), im Gegensatz steht. CETA und JEFTA schreiben diese Verpflichtungen fort, etwa in Art. 8.1 Abs. 1 JEFTA: „Die Vertragsparteien ... legen die erforderlichen Regelungen für die schrittweise gegenseitige Liberalisierung des Dienstleistungshandels und der Investitionen ... fest.“ Außerdem kommt in CETA und JEFTA das vielfache, verbindliche Bekenntnis hinzu, sämtliche Regulierungen der Wirtschaft, seien sie umwelt-, arbeits-, sozial-, bildungspolitischer Art usw. unter den Vorbehalt zu stellen, dass sie den Handel nicht zu sehr behindern dürfen. Ein Beispiel von vielen verdeutlicht das allgemeine Muster: „Dieses Abkommen hindert eine Vertragspartei nicht daran, Maßnahmen zur Umsetzung der multilateralen Umweltübereinkünfte, deren Vertragspartei sie ist, einzuführen oder aufrechtzuerhalten, sofern solche Maßnahmen nicht in einer Weise angewandt werden, die auf eine willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung der anderen Vertragspartei oder auf eine verschleierte Beschränkung des internationalen Handels hinauslaufen würde.“ (Art. 16.4 Abs. 5 JEFTA) Man beachte, dass nicht das Bundesverfassungsgericht für die Auslegung einer Bestimmung wie dieser zuständig wäre, sondern letztlich der Gemischte Ausschuss (dazu sogleich).

[15] Die Rechtsunsicherheit ist eine durchgängige Folge von CETA und verwandten Verträgen, vgl. Köller/Waiz (2018).

[16] Weiß (2018, Seite 6).

[17] Vor CETA, etwa im Rahmen der WTO bzw. des GATS, hat man stets mit Positivlisten gearbeitet, also die zu liberalisierenden Bereiche angegeben, so dass weder die Gefahr unbeabsichtigter Liberalisierungen bestand, noch zukünftig erst entstehende Bereiche (etwa digitale oder auch Finanz-Dienstleistungen) automatisch der Liberalisierung unterlagen. Eben dies droht jedoch bei Negativlisten, weil nun genau benannt werden muss, was nicht liberalisiert wird. „Es ist meines Erachtens jedoch nicht möglich, Formulierungen zu finden, die dem Gesetzgeber den gleichen, weiten Spielraum einräumen, wie es eine Positivliste bei GATS konnte. Diese rechtliche Unsicherheit ist aber gewollt, denn sie wird durch den Negativlistenansatz bewusst herbeigeführt.“ (Blinn, in: Köller/Waiz 2018, Seite 87) Gleichzeitig gibt es eine Entschließung des Europäischen Parlamentes vom 8. Juni 2011 zu den CETA-Verhandlungen, die besagt, dass man wirklich nur ausnahmsweise eine Negativliste akzeptiere (a.a.O., Seite 77, bzw. EP 2011). Auch billigte das EU-Parlament am 13.12.2017 einen Bericht, der die Forderung nach Zugrundelegung des Positivlistenansatzes zumindest für die Investitions- und Finanzdienstleistungskapitel in Verträgen wie CETA oder JEFTA bekräftigte (EP 2017, § 154, vgl. dazu auch Greens/EFA 2018, Seite 3).

[18] Vgl. Plaßmann in Köller/Waiz (2018, Seiten 119 ff.). Vgl. auch Greens/EFA (2018, Seite 3 f.).

[19] „Contrary to JEFTA ..., CETA explicitly excludes health, education, social services, gambling and betting services, the collection, purification and distribution of water from domestic regulation disciplines.” (Greens/EFA 2018, Seite 5) Eine der wenigen Texte, die sich mit der „Domestic Regulation“ bei CETA befasst haben, stammt von Ellen Gould, in: Powershift et al. (2016, Seiten 39-44).

[20] Ein Beispiel von vielen: „Für die Zwecke dieses Kapitels bekräftigen die Vertragsparteien ihr Recht, in ihrem jeweiligen Gebiet Regulierungsmaßnahmen zu treffen, die zur Erreichung legitimer politischer Ziele wie Schutz der öffentlichen Gesundheit, Sicherheit, Schutz der Umwelt und der öffentlichen Sittlichkeit, Sozial- und Verbraucherschutz oder Förderung und Schutz der kulturellen Vielfalt notwendig sind.“ (Art. 8.1 Abs. 2 JEFTA) Siehe auch oben: das Beispiel am Ende von Anmerkung 14.

[21] So ein langjähriger Schiedsrichter (Kahale 2018/forthcoming).

[22] Vgl. zum Energiechartavertrag CEO/TNI (2018).

[23] Hier noch einmal der Link zu den JEFTA-Anhängen, ab Dokument 3: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018PC0192&from=EN.

[24] Siehe genauer Art. 23.2 Abs. 4 lit a JEFTA.

[25] Vgl. Stadtwerke Karlsruhe (2014); Köller/Waiz (2018, Seiten 131 ff.).

[26] Weiß (2018, Seite 1 einschließlich Fußnote 2, worin festgestellt wird, dass der erwähnte Verstoß gegen den AEUV nicht nur für JEFTA, sondern auch für CETA gelte, sowie erneut Seiten 3 und 8).

[27] Art. 8.27 Abs. 2 CETA.

[28] Nach Art. 21.30 i. V. m. Art. 22.1 Abs. 4 lit f JEFTA sowie (Mediationsverfahren) Art. 21.6 Abs. 2 i. V. m. Art. 22.1. Abs. 4 lit f JEFTA). Vgl. im Einzelnen Weiß (2018, Seiten 2 f.).

[29] Weiß (2018, Seite 2); ähnlich Fisahn, in Köller/Waiz (2018, Seite 31). Es sei noch erwähnt, dass der Gemischte CETA-Ausschuss außerdem über Auflagen für künftig der EU beitretende Staaten entscheidet (Art. 30.10 Abs. 4 CETA) und der Gemischte JEFTA-Ausschuss durch Art. 23.7 Abs. 4 lit b befugt ist, „vor einem Beitritt eines Drittlandes zur EU ‚andere notwendige Anpassungen’ des JEFTA oder ‚Übergangsregelungen’ (zu) beschließen“, wobei es „der Wahl der Vertragsparteien (obliegt), die im Zuge eines EU Beitritts erforderlichen Änderungen des JEFTA entweder durch das normale Änderungsverfahren der Parteien nach Art 23.2 (1) und (2) anzunehmen, oder eben dies dem Beschluss des Gemischten Ausschusses zu überlassen, ohne dass letzteres näher eingegrenzt wird.“ (Weiß 2018, Seite 3)

[30] EuGH (2017), Gutachten 2/15 vom 16. Mai in der Rechtssache A-2/15, Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Singapur.

[31] BVerfG (2016, Rn. 52 bis 57).

[32] Prof. Weiß (2018, Seite 10).

[33] In seiner CETA-Klageschrift (Fischer-Lescano 2016, Seite 33).

[34] In Köller/Waiz (2018, Seite 36).

[35] Der Bundestag ist dieser Forderung des BVerfG durch § 8 des Gesetzes über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union nachgekommen.

[36] In Köller/Waiz (2018, Seiten 36 f.).

[37] Fisahn (in Köller/Waiz 2018, Seite 37). – Art. 218 Abs. 9 AEUV lautet vollständig: „Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission oder des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik einen Beschluss über die Aussetzung der Anwendung einer Übereinkunft und zur Festlegung der Standpunkte, die im Namen der Union in einem durch eine Übereinkunft eingesetzten Gremium zu vertreten sind, sofern dieses Gremium rechtswirksame Akte, mit Ausnahme von Rechtsakten zur Ergänzung oder Änderung des institutionellen Rahmens der betreffenden Übereinkunft, zu erlassen hat.“

[38] Nachzulesen in einer Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Namen der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (BMWi 2016, Seite 8): „... Art. 26. Abs. 2 CETA, wonach die Entscheidungen des Trade Committee unter dem Vorbehalt der internen Verfahrensvorgaben und Voraussetzungen der Vertragsparteien stehen. Auf Seite der EU legt gemäß Art. 218 Abs. 9 AEUV der Rat die Standpunkte fest, die im Namen der EU im Trade Committee zu vertreten sind.“

[39] Ebenso Prof. Fisahn, auf Abs. 7 angesprochen: „Ja ... Aber das passt nicht. Das setzt ja voraus, dass es um eine richtige, formelle Änderung des Vertrages geht, im Gegensatz zu einem Gremium, das in diesem Vertrag institutionalisiert worden ist und nun die autonome Kompetenz besitzt, Änderungen zu treffen. Verhandlungsführer – das bedeutet normalerweise: Zwei Staaten treffen sich und verhandeln über den Abschluss oder die Änderung eines Vertrages, deshalb passt dieser Abs. 7 nicht auf diese ’internen Anforderungen und Verfahren’. Im Zweifel ist das aber umstritten, weil es alles neu ist. Das Bundesverfassungsgericht ist jedenfalls ganz offensichtlich mehr auf Abs. 9 als Abs. 7 aus.“ (In Köller/Waiz 2018, Seite 38).

[40] Siehe Art. 3 und 4 des Vorschlags der EU-Kommission für einen Ratsbeschluss über den Abschluss des JEFTA vom 18.4.2018 (EK 2018, Seite 9).

[41] Weiß (2018, Seite 5).

[42] Vgl. Weiß (2018, Seite 4). Es sei daran erinnert (s o.: I), dass Art. 23.2 Abs. 3 JEFTA, um den es hier geht, den diplomatischen Notenwechsel ebenso ausdrücklich erwähnt wie dass es sich um ein gegenüber dem regulären Vertragsänderungen vereinfachtes Verfahren handelt (wie in Art. 218 Abs. 7 AEUV vorgesehen).

[43] Vgl. Köller/Waiz (2018, Seiten 37 f.).

[44] Vgl. Eric Bonse in der taz vom 8.12.2018: Schon wieder Geheimnisse Das Freihandelsabkommen CETA ist keineswegs zufriedenstellend gelöst. Gerade geht es um Kernfragen – unter Ausschluss der Öffentlichkeit (http://www.taz.de/Freihandel-zwischen-EU-und-Kanada/!5553877/).

 

Literatur

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BMWi (2016): Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Namen der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Britta Haßelmann und anderer sowie der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN („Die Auswirkungen von CETA auf die kommunale Daseinsvorsorge, insbesondere die Wasserwirtschaft“ BT-Drs. 18/8807) vom 14. Juli 2016, Bundestagsdrucksache 18/9193 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/091/1809193.pdf bzw. http://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Parlamentarische-Anfragen/2016/18-8807.pdf?__blob=publicationFile&v=2)

BVerfG (2016): Bundesverfassungsgericht: Urteil des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 – 2 BvR 1368/16 (Rn. 1-73) (http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/10/rs20161013_2bvr136816.html)

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CETA: Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits. Einschließlich der Anhänge, Protokolle und Zusatzerklärungen zum eigentlichen CETA-Vertragstext veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union vom 14.1.2017 (Englisch: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=OJ%3AL%3A2017%3A011%3ATOC; Deutsch: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L:2017:011:FULL&from=DE)

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